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Dänemark: Nachtwächtertour durch Ribe

Ribe, die älteste Stadt Dänemarks
Ribe, die älteste Stadt Dänemarks (Foto: Kim Wyon / VisitDenmark)

Dänemark: Ribe - Unterwegs mit dem Nachtwächter

An Ribe, der ältesten Stadt Dänemarks, kommt man auf dem Weg zu den jütländischen Sommerhausdünen einfach nicht vorbei. Während im Sommer Scharen von Touristen, mit Fotoapparat und Stadtplan ausgerüstet, die alte Bischofsstadt bevölkern, kann man im späten Frühjahr oder frühen Herbst noch die Ruhe und Einsamkeit in den zugigen Gassen. Mit hochgezogenem Kragen spaziert man durch die wohl schönste Stadt Jütlands, und immer wieder erspäht man interessante Details in geschnitzten Türen und geschmückten Fensterrahmen.

Ribe, dessen erste Spuren 1300 Jahre zurückreichen, war zur Wikingerzeit eine bedeutende Handels- und Hafenstadt. Zur damaligen Zeit lag Ribe noch unmittelbar am Meer. Im Mittelalter residierten hier die dänischen Könige. Als Ribe nach der Reformation seine wirtschaftliche und politische Bedeutung verlor, fiel die Stadt in einen Dornröschenschlaf. Nach dem verheerenden Brand von 1580 war auch kein Geld für irgendwelche Erneuerungen da. Das hatte den Vorteil, dass die Ursprünglichkeit erhalten und die Stadt von jeglichen Bausünden verschont blieb. Eben alles ein wenig windschief und nostalgisch anzusehen.

Einst lag die Wikingerstadt Ribe am Meer
Einst lag die Wikingerstadt Ribe am Meer (Foto: Kim Wyon / VisitDenmark)

Nachts durch Ribe streichen

Mit langem schwarzem Mantel, Laterne und Morgenstern kommt der Nachtwächter um die Ecke. „Jahrhundertelang hatte Ribe einen Nachtwächter“, weiß er zu berichten, „und er sang jeden Abend das gleiche Lied.“ Voller Inbrunst beginnt der Nachtwächter das Lied vorzutragen: „Wollt wissen Ihr die Zeit, Herrn, Mädchen und auch Knaben? Es ist wohl nun so weit, an Nachtruh sich zu laben. Vertraut auf Gott in Zuversicht, löscht´s Feuer aus und auch das Licht, die Uhr hat zehn geschlagen - Es ist Zeit, dass wir uns auf den Weg machen“, spricht er.

Es ist kurz vor 22.00 Uhr. Los geht es: mit rüstigen Schritten eilt der Nachtwächter dem Dom entgegen. Der um 1200 errichtete Prachtbau entstand auf dem Mauerwerk einer bereits bestehenden kleinen Kirche. Das Herzstück der Stadt ist kilometerweit sichtbar, und vom Glockenturm aus kann man über die roten Dächer bis zur vorgelagerten Insel Mandø schauen. Wer dieses Panorama genießen möchte, muss aber erst einmal 247 Stufen bewältigen.

Durch den gut erhaltenen Stadtkern führen viele mit Kopfstein bepflasterte Wege durch kleine enge Gassen. Lange Schatten liegen über „Det gamle Rådhus“, dem alten Rathaus, und in den winzigen Butzenscheibenfenstern der zum Teil windschiefen Fachwerkhäuser bricht sich das letzte Abendlicht.

Als die Nachttour an den winzigen Fischerhäuschen der Fiskergade entlanggehen, erzählt der Nachtwächter wie es früher war. Als der Nachtwächter noch darauf zu achten hatte, dass in der Stadt Ruhe und Ordnung herrschte, und es selbstredend auch seine Aufgabe war, vor heranziehenden Sturmfluten zu waren. Eine Mischung aus Historie und publikumswirksamen Anekdoten.

Sturmflut und Hexenwahn

Vorbei an der St. Catharinæ Klosterkirke, einem Relikt aus vorreformatorischer Zeit, gelangt man an die Sturmflutsäule, einem nüchternen Katastrophenindikator am Ufer der Å. Die Markierungen im Stamm sind der sichtbare Beweis für verheerende Fluten. Als im Jahre 1634 das Wasser ganze sechs Meter über Normal stand, konnte man in Ribe selbst nicht nur Fische angeln, sondern die gewaltige Welle riss Häuser mit. Tausende fanden den Tod. Ein nüchternes Mahnmahl aus vergangenen Zeiten.

Der Nachtwächter mag schaurige Geschichten, und als die Gruppe am Haus Splid ankommt, ist es mal wieder so weit: „Hier wurde im Jahre 1641 die Frau des Schneiders Splid verbrannt“, weiß er zu berichten. Hexenwahn hatte sich in der ganzen Stadt breitgemacht, und etwa 80 Frauen ereilte das gleiche Schicksal wie die arme Schneidersfrau. Schlau wie man war, hatte man sich einen Test ausgedacht, der darüber Auskunft gab, ob es sich bei der Auserwählten um eine Hexe handelte oder nicht. Man schmiss sie einfach in den Fluss und wartete ab. Schwamm sie oben, war das ein Zeichen dafür, dass es eine Hexe war, und ihr Schicksal war besiegelt.

Viel Platz zum Wohnen ist in Ribes kleinstem Haus nicht, denn es misst gerade mal 27 Quadratmeter Fläche. Der Nachtwächter erklärt, wie die fünfköpfige Familie diese Aufgabe geschickt meistert. Ribes Häuser sind nun mal recht klein, und da heißt es einfach etwas mehr zusammenrücken.

Die einstmals blühende Handelsstadt Ribe war bis ins 17. Jahrhundert Knotenpunkt zwischen Westeuropa und Skandinavien. Mit seinem langen Stab zeigt der Nachtwächter hinüber zur Kopfwiese und hat auch gleich die nächste Geschichte auf Lager. Der Kaufmann Jessen und seine Freunde wurden Anfang des 16. Jahrhunderts von Piraten überfallen. Gefesselt und geknebelt wurden die armen Teufel über Bord geschmissen. Trotz ihrer misslichen Lage konnten sich Jessel und seine Freunde befreien und wurden gerettet. Für die Piraten entpuppte sich die Situation jedoch als fataler Fehler, denn man stellte sie vor Gericht und verurteilte sie zum Tode. Sie wurden geköpft, und man reihte ihre Köpfe auf der Wiese auf. So erhielt die Kopfwiese ihren Namen.

In einem Kro endet die Nachtwächtertour
In einem Kro endet die Nachtwächtertour (Foto: Kim Wyon / VisitDenmark)

Renaissance des Nachtwächters

Der Nachtwächter erzählt, dass im Jahre 1902 der letzte Nachtwächter in Rente geschickt wurde. Polizei und Feuerwehr hatten zum größten Teil seine Aufgaben übernommen. Das änderte sich erst wieder, als mehr und mehr Touristen das Städtchen besuchten. Da entsann man sich auf alte Traditionen, und der Posten des Nachtwächters wurde neu besetzt.

So langsam nähert sich das Ende des eindrucksvollen Rundgangs, und der endet, wie kann es anders sein, in einem Kro (Krug). Die Kros sehen heute noch genauso aus wie vor Hunderten von Jahren. Der als Gasthof bekannte Kro ist eine typisch dänische Institution mit einer oft Jahrhunderte langen Tradition. Die aus dem 16. Jahrhundert stammende „Weis Stue“ trägt nach außen hin zwar nicht die Bezeichnung Kro, ist aber für Nachtwächter und Touristen gelichermaßen eine willkommene Gelegenheit, den müden Beinen ein wenig Ruhe zu gönnen. Noch eine Weile sitzt die Gruppe beim lokalen Ribe-Bier zusammen. Der Nachtwächter lässt die alten Zeiten Revue passieren, und natürlich fallen ihm noch viele Geschichten und Anekdoten ein, die er gern zum Besten gibt.

Weitere Informationen unter www.visitribe.dk

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